Fototechnik

Zur Panoramafotografie mit der HORIZON

Jahrgang 1964, Krasnogorsker Maschinenfabrik

Arbeitet mit einem 120-Grad-Winkel Objektiv, Kamera mit drehender Objektivtrommel und Schlitzblende vor gebogener, statischer Filmebene

Die Kamera Horizon kommt aus Russland aus der Krasnogorskiy Mekhanicheskiy Zavod (Красногорский механический завод), zu Deutsch Krasnogorsker Maschinenfabrik. Die Krasnogorsker Maschinenfabrik wurde als Reaktion auf den deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg gegründet. Die Rote Armee hatte akuten Bedarf an optischen Präzisionsinstrumenten. Die bestehenden optischen Werke waren entweder kriegsbedingt unzugänglich, wie LOMO im blockierten Leningrad, oder mit der Nachfrage überfordert. Die Firma produzierte zunächst Zielfernrohre und Ferngläser sowie Aufklärungskameras.

Zu den ersten praktischen Anwendungen zählte die Schlachtfeldfotografie für die Kartenerstellung und Artillerie. Während der 1960er Jahre gab es dann eine intensive Zusammenarbeit zwischen der militärischen und zivilen Abteilung bei der KMZ; ein Beispiel dafür war die Entwicklung der Panoramakamera HORIZON, die aus einer älteren Artilleriekamera entwickelt wurde.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Gefolge der Perestroika kam die Produktion bei KMZ weitgehend zum Erliegen.

Laut Anleitung sollte bei dieser Kamera immer ein Stativ verwendet werden, um die beste Qualität zu erzielen. Die Kamera sollte für ein perfektes Ergebnis demnach genau am Horizont ausgerichtet werden. Ich verwende nie ein Stativ. So ist die Kamera schneller einsatzbereit. Ich halte sie schräg, um bewusst den HORIZON zu krümmen und um einen kippenden Bildausschnitt zu erzeugen.

Mit einer Kamera nimmt man normalerweise ein Bild des Augenblicks aus dem Fenster der Zeit. Die HORIZON hat ein anderes Wesen. Mit Ihrem schwenkbaren Objektiv schaut sie sich um. Sie lässt den Blick innerhalb eines Fotos von links nach rechts schweifen. Oder von rechts nach links. Will ich dies erreichen, drehe ich die Kamera über Kopf, denn die HORIZON ist ja eine alte, analoge Dame. Was auf der einen Seite des Bildes zu sehen ist, ist tatsächlich Millisekunden früher gewesen als das auf der gegenüberliegenden Seite. Jedes Bild steht also nicht für den Augenblick, sondern für eine Zeitspanne.

Der Weg zur Cyanotypie

Vor mehr als fünf Jahren habe ich Fotografien Lübecks, fotografiert mit meinen alten russischen Panoramakameras, in der Galerie Frank Siebert gezeigt. Weitere Jahre zuvor war es die Stadt Venedig gewesen. Dann kam eine Generation von Smartphones auf den Markt, die mit Algorithmen eindrucksvolle Fotopanoramen errechnen konnten. Bei dieser digitalen Übermacht moderner Bildeindrücke war es für mich schwer vorstellbar, wie und ob ich einen Betrachter noch in Zukunft für die besondere Atmosphäre der analogen Panoramafotografie mit ihren organischen Bildübergängen begeistern könnte.

Vor etwa drei Jahren stieß ich dann in der New York Times auf folgende Schlagzeile: „Cyanotype, Photography’s Blue Period, Is Making a Comeback.“ In der New Yorker Kunstszene kündigte sich eine Renaissance der Cyanotypie (siehe unten) an. Nach 175 Jahren, mitten in einer rasanten, digitalen Welt, ist plötzlich eines der ältesten fotografischen Verfahren zu neuem Leben erwacht. Von den Blaudrucken, die ich dort sah, war ich sofort begeistert. Ich witterte Morgenluft und arbeitete mich mit vielen Hochs und Tiefs ins Wesen der blauen Belichtungen ein. Heraus gekommen ist ein individuelles Rezept (siehe unten). Mich reizt am analogen Fotografieren die besondere Atmosphäre, die durch eine analoge Belichtung entsteht. Etwas, das ich sehe, wird auf meine Netzhaut gebrannt und genauso auf ein Stück Film belichtet. Für etwas, das ich in einem bestimmten Moment sehe und erlebe, mache ich parallel ein Stück lichtempfindliche Filmoberfläche zugänglich. Nichts wird digital auf Maß gerechnet, nichts wird beschönigt. Und deshalb Cyanotypie. Bei der Cyanotypie geht es noch ein Stück weiter. Welchen Lichteindruck kann ich von einem vergrößerten Stück analogen Filmstreifens auf ein Stück Papier bannen? Zwei Jahre habe ich probiert und beobachtet, wie viel ultraviolettes Licht welches Papier braucht, um empfänglich für das übersendete Bild zu sein. Und dadurch entsteht das Besondere: Der Pinselauftrag der lichtempfindlichen Lösung erlaubt dem Papier zu „empfangen“, aber das Papier selbst mit seiner Oberflächenbeschaffenheit, seiner Haut, entscheidet selbst, wie empfänglich es für das Licht ist, wie stark es etwas verinnerlicht, erinnert. Je offener die Poren der Papiers, desto tiefer dringt das Licht und der Bildeindruck in das Papier ein. Die Papierhaut kann jung und frisch sein, oder alt, verfärbt und porös. Bei der alten Papierhaut dringt der Bildeindruck besonders tief in die Poren ein. Oft schaffen Pigmentfehler kleine Bildübermittlungsfehler, die das erinnerte Bild nur noch schöner machen. Keine Belichtung ist gleich. Jede Belichtung ist abhängig von der besonderen empfangenden Papierhaut und der Lichtintensität der Übermittlung des Bildeindrucks. Und so ist jedes Blatt Papier das Unikat eines verinnerlichten Bildes.

Erklärung Cyanotypie

Die Cyanotypie (Blaudruck) wurde 1842 von dem Astronom und Naturwissenschaftler Sir John W. Herschel entdeckt. Herschel fiel auf, dass gewisse Eisensalze photosensitiv reagieren und zudem wasserunlöslich sind. Die Farbigkeit, die dabei entsteht, ist das Berliner Blau, oder auch das Tintenblau, oder auch Preußisch-Blau, da auch die Uniformen der Preußischen Armee in diesem Ton gefärbt waren.

Mein Rezept der Cyanotypie

Ich benutze als Grundlage eine Lösung, die aus einem bestimmten Verhältnis von grünem, zitronensaurem Eisen (Eisenammoniumzitrat) und rotem Blutlaugensalz (Kaliumferricyanid) auf Basis von destilliertem Wasser hergestellt wird. Dem Wasser gebe ich vorher eine gewisse Menge Gelatine hinzu, damit die Lösung auf dem Trägerpapier später besser haftet. Diese Lösung wird von mir mithilfe von Pinseln oder Schwämmchen auf Papierbögen aufgetragen. Die Lösung ist für eine Weile sensibilisiert für UV-Licht. Vor der Belichtung müssen die Bögen aber ohne Lichteinfall trocknen. Dazu benutze ich alte Transportboxen aus Holz, die für Kinofilmrollen verwendet wurden. Anschließend belichte ich das Papier mit einem dreißig Jahre alten Gesichtsbräunungsgerät. Die Vorlagen der Filmkontaktfolien bearbeite ich teilweise mit Kratzschwämmchen. Mit der Belichtung verfärben sich die behandelten Stellen von ihrem ursprünglich gelblichen zu einem grünlichen Farbton. Durch Spülen mit Wasser wird einerseits durch das Auswaschen der übriggebliebenen Reaktionssubstanz der Belichtungsprozess gestoppt, anderseits erhält die getränkte Schicht durch Oxidation ihre typisch blaue Färbung. Bei mir kommen noch ein paar andere Hilfsmittel zum Einsatz wie zum Beispiel Essigreiniger und Wasserstoffperoxid, um die Farbintensität und die Fixierung zu verstärken.